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Classic Concepts: Mercedes-Benz CW311 B+B
Im Jahr 1979 gelang Eberhard Schulz ein weltweit beachteter Coup: Sein
Prototyp eines zeitgemäßen Mercedes-Keils hätte als legitimer Nachfolger
des legendären 300 SL Geschichte schreiben können. Hätte – denn es blieb
letztlich bei einer Vision.
Donnerkeil, dritter Teil. Wer Classic Driver in den letzten Wochen aufmerksam
verfolgte, wird die Artikel über den Mercedes-Benz C111 und den GWA Ciento
Once C111 studiert haben. Doch zwischen dem Projekt „Weißherbst“, seinen
Ausbaustufen und dem in Amerika auferstandenen C111 fehlt ein ganz
wesentliches Bindeglied, ein Missing Link. Ein Fahrzeug, das auf der IAA
1979 für Furore sorgte und dem gesamten Keilthema eine neue Wendung hätte
geben können: Die von Isdera-Gründer Eberhard Schulz entwickelte und mit
Rainer Buchmann realisierte Studie CW311 B+B, benannt nach dem
bemerkenswerten Luftwiderstandsbeiwert von 0,311 cW. Die Zeitschrift Stern
nannte das Fahrzeug in einem zeitgenössischen Artikel schlicht „die Bombe“.
Der Supersportwagen erhielt zudem mit „Car-Napping“ einen eigenen Kinofilm,
gedreht in Cannes.
Eberhard Schulz ist das, was man hierzulande einen genialen Tüftler nennt. Als Autodidakt und fasziniert von Technik, eignete er sich Wissen und
Fertigkeiten an, die ihn früh als Visionär und Macher auszeichneten. Porsche
wurde bald auf ihn aufmerksam, doch mit einem Kopf voll eigener Ideen drängte
sich irgendwann die Selbständigkeit auf. 1982 dann die Gründung eines eigenen
Ingenieurbüros: Isdera. Ein Kunstwort und Abkürzung, welche
ausgeschrieben "Ingenieurbüro für Styling, Design und Racing" bedeutet.
Ansässig in Leonberg bei Stuttgart, entwarf Schulz eigene Automobile. 2005
siedelte Isdera nach Hildesheim um. Vor viereinhalb Jahren zeigte Classic
Driver in einer Weltpremiere die letzte große Ingenieurstat von Isdera: den
grotesk gigantischen Autobahnkurier 116i.
All dies machte der CW311 erst möglich. Doch wie kam es zu diesem
faszinierenden Fahrzeug? Eberhard Schulz berichtet: „Ich war ein Porsche-
Mann durch und durch. Mercedes war aber immer das Größte. Kompressor-Ära,
Silberpfeile, Nachkriegs-Formel 1, 300 SL.“ Das inspirierte Schulz bei seiner
eigenen Idee von einem Supersportwagen. Modern, aber nicht modisch sollte
sein Sportwagen ausfallen. „Und mein Entwurf mußte alle gängigen
Sportwagenmarken in den Fahrleistungen schlagen. Er sollte wie ein Mercedes
aussehen, selbst wenn kein Stern am Fahrzeug wäre. Ja, er mußte wie ein
Mercedes wirken, obwohl er nicht aus dem Werk stammte.“ Weitere Details nahm
Schulz in das Pflichtenheft auf: Mittelmotorkonzept, seitliche Auspuffrohre
wie beim legendären 300 SLR, dem Mille Miglia Siegerwagen mit Stirling Moss
am Steuer. „Selbst die Cockpit-Entlüftungsschlitze vom 300 SL durften nicht
fehlen“, so Schulz.
Und das Design des 4,10 Meter kurzen Wagens? Es floß Eberhard Schulz aus
der Feder: „Das typische SL-Gesicht ergab sich von selbst: Ein großer
Mercedes-Stern mit Ring, umrahmt von seitlichen Zierleisten rechts und links
auf dem Frontgrill.“ Und Flügeltüren, natürlich! „Das Heck hatte die großen
Heckleuchten vom damaligen SEL. Das Herz, der Motor vom 600er, maximal
mögliche Leistung – fast 400 PS dank Tuning. Das gab es damals nur bei AMG.“
Es handelte sich um ein Derivat des bulligen 6,3 Liter V8, der auf ein ZF-
Fünfgang-Getriebe traf. Schulz legte äußerst strenge Maßstäbe an: „Alle
gängigen Exoten liefen keine ehrlichen 300 km/h; meiner aber mußte das
schaffen und überbieten.“ Er setzte neben dem Motor auf Ingenierkunst:
Gitterrohrrahmen, Fiberglaskarosserie, Formenbau in Gips und Werkzeuge in
Polyester. „Die Radaufhängungen nach gängiger F1-Formation waren
rechneroptimiert und selbst der Außenspiegel auf dem Dach erfüllte die
Zulassungsverordnung für den Straßenverkehr.“ Technisch realisieren konnte
Eberhard Schulz das Fahrzeug mit Hilfe eines Frankfurter Porsche-Tuners:
Rainer Buchmann und dessen Firma B+B. Das Projekt nahm insgesamt sechs Jahre
in Anspruch.
Der TÜV gab schließlich 1978 seine Zustimmung. Das Beste aber kam zum Schluß:
Auch Mercedes gab – in der offiziellen Fassung ob soviel Konsequenz und
Enthusiasmus – den Segen, so dass auch die dreizackigen Sterne an den Wagen
durften. Eine Sensation, die 1979 öffentlich perfekt wurde, als der Keil dem
eigentlichen Star – nota bene! -, dem nunmehr fertig konstruierten BMW M1,
die ganz große Show stahl.
Der besagte und namensgebende cW-Wert von 0,311 des Isdera-Mercedes wurde im
übrigen genauso wenig amtlich belegt, wie eine tatsächliche Höchstge-
schwindigkeit von über 300 km/h. Doch die Anlagen dafür hatte der Sportler
zweifelsohne. Bemerkenswert: Das Konzept mit dem aufgesetzten Rückspiegel
funktionierte dank zweier Targadächer in den Flügeltüren. Ähnlich zeigte das
auch der Lancia Stratos Zero. Doch wer meint, Schulz hätte hier kopiert,
irrt. Denn schon sein erstes Fahrzeug, der Erator GTE, wies dieses Merkmal
auf. Und der CW311? Der erhielt prompt Kaufangebote, so dass sich Schulz zu
einer Kleinserie entschied, die er allerdings als Isdera Imperator 108i erst
1984 auf den Markt bringen konnte. Offiziell ohne Mercedes-Sterne und mit
weniger Leistung. Da aber hatte sich die Welt schon weiter gedreht. Keile
waren nicht mehr der Weisheit letzter Schluss und andere große Marken hatten
längst aufregende Vollblüter in ihren Ställen. Der CW311 mußte sich auf
seinen einmaligen Triumph bescheiden: den des Davids gegen die Goliaths. Der
Coup aus dem Jahr 1979 wird in Erinnerung bleiben.
Quelle: http://www.classicdriver.com
Bilder: http://www.schlegelmilch.com
Dieses Thema wurde aus dem Nast MB-Exotenforum 1.0 importiert und kann bald wieder hier im Original-Archiv eingesehen werden.
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