Alles anzeigenSelbst für den größten Mercedes Benz Enthusiasten ist der B300 erst auf den zweiten oder dritten Blick etwas ganz Besonderes. Trifft man auf den Wagen und schaut nur von vorne so kann man ihn kaum von einem normalen R129 SL unterscheiden. Sieht man jedoch das Heck an, so haben wir einen normalen C124, einmal abgesehen vom Boschert Typenschild, vor uns stehen. Lässt man nun seinen Blick zur Fahrzeugseite schwenken kommt man ins Grübeln. Eine merkwürdig erscheinende Türe und scheinbar andere Proportionen fallen bei genauerer Betrachtung ins Auge. Was genau haben wir denn hier?
Boscherts Vision vom Gullwing
Die kühne Vision von Diplom Designer Hartmut Boschert nennt sich B300 und die Basis, für dieses Einzelstück, ist ein 1988er Mercedes-Benz C124 300CE. Auf diesem Chassis entstand ein atemberaubender Prototyp dem eine Kleinserie von 300 Fahrzeugen folgen sollte. Avisierter Preis: stolze 185.000,00 Mark!
Wer Hartmut Boschert kennt, weiß um seinen Anspruch an Funktion, Qualität und Ästhetik. Gerne greift er auf bestehende Teile aus dem Mercedes-Benz Fundus zurück oder aber konstruiert Teile welche mindestens dem Qualitätsanspruch von Mercedes-Benz gerecht geworden wären. So suchte er sich für den Bau des Prototyps bereits die besten Partner aus die er finden konnte. Für die Karosserieformen arbeiteten beispielsweise die Firma OPAC bzw. Zagato aus Turin – Fachleute die sonst für Porsche oder Mercedes-Benz selber tätig waren. Laut eigener Aussage Boscherts attestierte ihm der TÜV Bayern eine Verwindungssteifigkeit mit besseren Werten als der originale C124.
Exterieur
Je länger man den B300 ansieht desto mehr Änderungen fallen am äußeren Erscheinungsbild des einstigen 300CE auf: Die Front ziert ein in der Breite, je Strebe, von Hand gekürzter SL Grill der Baureihe 129 und wird von den originalen SL Scheinwerfern sowie Blinkern eingerahmt. Front Spoiler, Motorhaube und Kotflügel werden jedoch, angelehnt an den SL, nach Boscherts eigenen Ideen geformt und mit den originalen SL Nebelscheinwerfern versehen. Die bekannte Sicke der Kotflügel am 124er verschmilzt mit dem rundlichen Design des SL an der neuen Front. Die Seitenspiegel haben nun die gleiche breite, sind nicht mehr unterschiedlich wie bei der Baureihe 124 üblich.
Seitlich stehen wir vor den ca. 1,66m breiten Flügeltüren, welche mit Hilfe von Hydraulikdämpfern sanft nach oben geöffnet werden. Geschlossen werden die großen Türen elektrohydraulisch, zuletzt mit der Zuziehhilfe bzw. den Schlössern aus dem Mercedes Teileregal der Heckklappe des S124 T-Modell, bis zur automatischen Verriegelung. Bedient werden die Türen durch je einen ehemaligen Fensterheber Schalter in der unteren Mittelkonsole.
„Schnittmuster“ der zu heraustrennenden Stellen am B300 SportAm Heck angekommen werden wird dann erneut stutzig. Alles normal, oder? Nein, doch nicht. Bei unverändertem Radstand haben wir ein um ca. 25 Zentimeter gekürztes Coupe vor uns, dies wurde durch die Verschiebung von C-Säule und Heckscheibe möglich gemacht und das entsprechende Stück aus Dach und Hecküberhang herausgeschnitten. So entfällt auch die Hutablage. Dies hatte einen praktischen nutzen. Durch die Verkürzung plus eine 1,5 mm Stahlzelle im Chassis konnte Boschert die Verwindungssteifigkeit der Karosse, trotz herausgetrennten B-Säule, beibehalten bzw. sogar leicht verbessern. So ist das B300 Coupe allerdings nicht nur kürzer sondern auch flacher, denn Das Fahrwerk ist mit einer höhenverstellbaren Federung der Firma Nivotronik ausgestattet die das Fahrzeug, auf Knopfdruck, um 45 mm heben bzw. senken kann.
Interieur
Im Innenraum geht es nicht weniger Aufwendig zu. Hier nimmt Fahrer und Beifahrer auf elektrischen Sitzen aus dem R129 SL Platz, incl. dem bekannten integrierten Gurtsystem. Die elektrische Bedienung wanderte unter die Flügeltüre in den verbreiterten Holm. Das Mercedes Lenkrad wird im B300 durch ein hochwertiges Holzlenkrad aus dem Hause Zimber ersetzt, welches auch mit Airbag als Option geplant war. Der 300 km/h Tacho, das Edelholz oder die Fußmatten mit Boschert Logo fallen einem zusätzlich ins Auge. Die Mittelkonsole wurde verlängert bis an die Fond-Einzelsitze und wie das gesamte Interieur mit Leder bezogen. Die Mercedes-Benz typische Automatik sucht man im B300 übrigens vergebens. Hier wird per sonderangefertigtem 4-Gang Getriebe handgeschaltet.
Übrigens: gefahren wird hier wie beim legendären 300SL Flügeltürer – ohne Klimaanlage wie im Brutkasten – die Fenster im B300 sind nicht zu öffnen. Die Fensterheber waren bereits fertig auf dem Papier konstruiert. Diese Pläne wurden aber, da es sich um einen Prototyp handelte der dann nie in Produktion ging, nie umgesetzt.
Vor dem Schalthebel sieht man das Display für den Ladedruck, weiter hinten die Löcher vom ehemaligen C-Netz Telefon.Motor
Unter der Motorhaube gibt es nicht weniger beeindruckende Modifikationen als an der Karosserie. Der Mercedes-Benz M103 3.0L 6-Zylinder Motor wurde mit gleich zwei KKK-Turboladern von Mosselman zum BiTurbo umgebaut und mit Ladeluftkühler, Turbo-Fuel-Computer und Doppelrohrsportauspuff mit drei Wege Metallkatalysator ausgestattet. 283, statt 180 PS, leistet das Aggregat nun und dies reicht, laut Boschert, für 258 km/h.
Der M103 mit Ladeluftkühler.IAA 1989 & Stückzahlen
Die, zu eingangs, erwähnte Kleinserie hat es im übrigen nie gegeben. Der B300 Flügeltürer ist ein Einzelstück geblieben. Es sind nur Gerüchte, es hätte zwei gegeben, das Fahrzeug war in Mercedes-Benz Brilliantsilber 744 lackiert, schwarz beledert und stand genau so auf der IAA in Frankfurt bzw. auch auf der Titelseite der Auto Motor & Sport (AMS) Ausgabe 20/1989.
Für die Messe in Hannover wurde das Fahrzeug zur Präsentation auf dem Sony Messestand in Bornit metallic 481 neu lackiert und den komplette Innenraum neu gepolstert. Zusätzlich wurden Änderungen an den Türen vorgenommen, Scheiben ausgewechselt und die Saccobretter am Schweller „nachgerüstet“ um den B300 moderner erscheinen zu lassen. Im Motorraum ist auch heute noch immer der silberne Lack zu erkennen.Fun Fact zum Titelbild der AMS Ausgabe:
Die Redaktion der AMS sagte zu Boschert: „Wenn Sie einen 4-sitzigen Flügeltürer mit R129 Front pünktlich und fahrbereit vor der IAA 1989 Ausgabe fertig stellen, dann kommt er auf das Titelblatt.“ Dies schaffte Boschert knapp, denn die Dachhimmel-Verkleidungen waren nicht rechtzeitig vom Sattler fertiggestellt worden. Dies sieht man auch auf den Fotos der Ausgabe. Zum Messestart war der B300 jedoch komplett fertig gestellt.Fotos
Flügellose B300
Neben diesem Einzelstück gab es auch Versionen des B300 ohne Flügeltüren:
- B300 Sport BiTurbo (C124)
- B300 – 24 Sport (C124)
- B300 BiTurbo (W124)
Quelle: https://www.mb-baureihen.de/br124-boschert…t-b300-gullwing