Mercedes-Benz führt 2026 Steer-by-Wire in Serienfahrzeugen ein
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MBBAUREIHENDE -
April 23, 2025 at 9:13 PM -
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Das Lenkrad ist weit mehr als ein gewöhnliches Bauteil im Auto – es ist die direkte Verbindung zwischen Fahrer oder Fahrerin und der Straße. Über das Lenkrad wird das Fahrverhalten spürbar, Unebenheiten werden wahrgenommen, und nicht zuletzt war es in der Vergangenheit das wichtigste Werkzeug, um ohne Servolenkung kraftvoll in Parklücken zu kurbeln. Ab 2026 beginnt für Mercedes-Benz Kundinnen und Kunden eine neue Ära: Als erster deutscher Automobilhersteller bringt das Unternehmen ein Serienfahrzeug mit Steer-by-Wire auf den Markt – einer Technologie, die vollständig auf eine mechanische Verbindung zwischen Lenkrad und Vorderrädern verzichtet.
Beim Steer-by-Wire wird der Lenkbefehl nicht mehr über eine Lenksäule weitergegeben, sondern elektronisch, also „by wire“. Das sorgt für ein völlig neues Lenkgefühl und bietet im Alltag eine Reihe praktischer Vorteile. Die Rückmeldung des Fahrzeugs erfolgt modellbasiert und präzise abgestimmt, während der Kraftaufwand beim Lenken weiter reduziert wird. Auch das lästige Umgreifen entfällt, was Manöver wie Einparken noch komfortabler macht.
Laut Markus Schäfer, Chief Technology Officer der Mercedes-Benz Group AG, ist Steer-by-Wire ein entscheidender Schritt auf dem Weg in die Mobilität von morgen. Neben der verbesserten Fahrdynamik bietet das System in Kombination mit hochautomatisiertem Fahren (SAE-Level 3) auch neue Perspektiven für das Fahrzeuginterieur: Da perspektivisch kein Lenkrad mehr den Blick auf das Display stört, sind immersive Entertainment-Erlebnisse während der Fahrtpausen möglich – beispielsweise Streamingangebote oder Gaming.
Technisch betrachtet erlaubt Steer-by-Wire eine variable Lenkübersetzung. Diese lässt sich je nach Fahrsituation flexibel anpassen – etwa beim sportlichen Fahren auf der Landstraße oder beim langsamen Rangieren in der Stadt. Durch diese Flexibilität lassen sich scheinbare Gegensätze wie Sportlichkeit und Komfort besser vereinen. Auch Fahrstabilität und Agilität in Kurven profitieren vom Zusammenspiel mit der aktiven Hinterachslenkung, die einen Lenkwinkel von bis zu zehn Grad ermöglicht. Das Ergebnis: Mehr Kontrolle und ein präziseres Fahrgefühl – bei gleichzeitig höherem Komfort, da störende Stöße von der Straße kaum noch im Lenkrad spürbar sind.
Auch beim Thema Individualisierung eröffnet die elektronische Lenkung neue Möglichkeiten. So können innerhalb einer Baureihe unterschiedliche Lenkcharakteristika angeboten werden, die auf das jeweilige Modell oder auf Kundenwünsche zugeschnitten sind. Die Entkopplung von Lenkrad und Lenkgetriebe schafft außerdem mehr Freiheit beim Design neuer Fahrzeugarchitekturen. Das betrifft nicht nur das Interieur, sondern auch künftige Anwendungsszenarien wie Gaming im Stand oder eine neue, entspanntere Sitzposition bei automatisiertem Fahren.
Ein weiterer Vorteil ist die neue Lenkradform. Da keine mechanische Verbindung mehr nötig ist, kann das Lenkrad flacher gestaltet werden. Das verbessert die Sicht auf das Fahrerdisplay, schafft mehr Platz beim Ein- und Aussteigen und erhöht das Raumgefühl im Cockpit. Langfristig könnten Fahrende während automatisierter Fahrphasen eine noch entspanntere Sitzposition einnehmen – frei von Lenksäulen, die im Weg sind.
Das System arbeitet mit zwei zentralen Komponenten: Die Steering Feedback Unit (SFU) am Lenkrad erfasst die Lenkwünsche und leitet sie an die Steering Rack Unit (SRU) weiter, die die Bewegung an die Räder überträgt. Gleichzeitig erzeugt die SFU das typische Mercedes-Lenkgefühl durch modellbasierte Rückstellkräfte. Da es keine mechanische Gegenkraft mehr gibt, wird das Feedback künstlich simuliert – aber präzise und echt wirkend.
Mercedes-Benz hat das neue Steer-by-Wire-System bereits intensiv getestet. Mehr als eine Million Prüfstandkilometer sowie ebenso viele Testkilometer auf Strecken und im Straßenverkehr wurden absolviert. Die Sicherheitsarchitektur ist doppelt ausgelegt: Zwei Signalpfade, redundante Steuergeräte, doppelte Spannungsversorgung. Selbst im unwahrscheinlichen Fall eines Ausfalls bleibt das Fahrzeug dank Hinterachslenkung und ESP-Eingriffen querführbar.
Steer-by-Wire ist damit nicht nur ein technischer Meilenstein, sondern auch ein Beispiel dafür, wie Mercedes-Benz seit über einem Jahrhundert Lenkungsinnovationen vorantreibt. Ein kurzer Blick zurück:
1893: Premiere der Achsschenkellenkung im Benz Victoria. Im Vergleich zur Drehschemellenkung aus dem Kutschenbau ist damit die Kippgefahr in Kurven entscheidend reduziert.
1902: In der Mercedes-Simplex Modellfamilie ist das Lenkrad bereits mit Hebeln ausgestattet. Mit ihnen werden wichtige Motorfunktionen wie Zündzeitpunkt und Gemischbildung eingestellt.
1920er-Jahre: Ins Lenkrad wird ein Ring für die Bedienung der Hupe integriert – quasi ein frühes System der Car-to-X-Kommunikation.
1958: Der als „Adenauer-Mercedes“ bekannte Typ 300 (W 189) ist das erste Mercedes‑Benz Automobil mit Servolenkung als Wunschausstattung.
1967: Ab August stattet Mercedes-Benz alle Pkw mit Teleskoplenksäule und Pralltopf im Lenkrad aus – ein Meilenstein in puncto Insassenschutz.
1976: Die neue Sicherheitslenkung mit verformbarem Wellrohr startet in der Baureihe W 123.
1990er Jahre: Mercedes-Benz beginnt mit der schrittweisen Umstellung auf die elektrische Servolenkung. Diese Systeme verwenden Elektromotoren für die Lenkunterstützung, was den Kraftaufwand reduziert und energieeffizienter ist.
1996: Das Forschungsfahrzeug F 200 Imagination mit Sidestick-Steuerung feiert seine Premiere.
1997: Das Forschungsfahrzeug F 300 Life Jet besitzt ein Steuerhorn im Flugzeug-Look.
2001: Dank aktiver Sturzverstellung der Räder legt sich das Forschungsfahrzeug F 400 Carving scheinbar in die Kurve.
2009: Der F-Cell Roadster wird mittels Joystick gesteuert.
2020: Die optionale Hinterachslenkung der S-Klasse verbessert die Wendigkeit und Fahrzeugdynamik erheblich, indem sie die Hinterräder aktiv in die Lenkbewegungen miteinbezieht.
2022: Das System für hochautomatisiertes Fahren DRIVE PILOT kommt zunächst in Deutschland auf den Markt. Die S-Klasse mit der Sonderausstattung DRIVE PILOT verfügt über redundante Lenk- und Bremssysteme sowie ein redundantes Bordnetz.
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